Ekstase und Erschöpfung

Ekstase und Erschöpfung

Manchmal sagt ein Bild ja mehr als tausend Worte, daher wird dieser Text zum grandiosen Saison-Finale in Freienohl und Ennest (Arbeitstitel: Frennest22) sehr kurz ausfallen.

Versprochen. Obwohl… nehmt mich nicht beim Wort.

Was sehen wir hier also? Klar, beim Gitarristen war `ne Giraffe im Stammbaum und bei der Keyboarderin in Rot hängt ein Kabel komisch … aber gehen wir auf die generellere Ebene:

Verbeugung.

Was soll das eigentlich? Kulturanthropologische Deutungen betonen in der Regel den Respekt vorm Publikum, der mit dieser symbolhaften Selbsterniedrigung ausgedrückt werden soll. Im Jugendslang: „Wir nix ohne euch“. Stimmt fraglos, nach sechs fantastischen Auftritten, die zwei Jahre Corona-Pause flugs vergessen machten, gebührt aller Respekt dem frenetischen, ausdauernden, hitzebeständigen und verdammt hübschen Sauerländer Publikum. Und trotzdem sind die alten Deutungsansätze unvollständig, wie wir gelernt haben. Eine radikale Neuinterpretation wird die Fachwelt erschüttern: Nach sechs mal sechs Stunden vor feierwütigem Publikum in brüllender Hitze, bricht die gemeine Musiker:in schlichtweg zusammen. Körperspannung adé, die nebenstehende Kolleg:in wird zum Halteanker, ob sie will oder nicht. Erfahrene Bildinterpreten mögen zudem auf die feinen Details achten: Übt die rechte Hand des Sängers im grauen Shirt nicht etwas viel Druck auf den schmerzsensiblen posterioren Schlüsselbeinbereich des Nebenmannes mit rotem Kragen aus, während die Linke der Dame im roten Kleid sich bereit macht, eben dessen Unterhosengummi schmerzhaft in die Höhe zu reißen? Bestrafungsbedürfnisse? Nicht fernliegend, wenn man bedenkt, dass der Rotbekragte, der den Kopf hier demütigt und reuevoll noch unter das Niveau der Übrigen senkt für die NULLPAUSENPOLITIK verantwortlich ist. Nimm das, du Schleifer!

Spaß beiseite, das zweite und dritte Juli-Wochenende werden uns definitiv im Gedächtnis bleiben. Niemand konnte vorhersagen, was passieren sollte. Haben die Menschen Angst vorm Virus? Wie stark wird die Besucherzahl einbrechen? Wird’s so werden wie früher?

Dass tiefe Sorgen unbegründet sein würden, zeigte bereits der Mittwoch vor unserem Aufbruch nach Freienohl. Eine Abordnung der Brandstifter fuhr zum Aufbau.  Beim diesjährigen Technik-Eldorado durch unsere Partnerfirma Sebastian Bertels Veranstaltungstechnik eine fast tagesfüllende Angelegenheit. Denkt man. Nicht so in Freinohl. Sieht ein Beiratsmitglied den Hänger kommen… und was passiert? Obwohl dieser Beirat den Tag mit hinreichend Reinemachen, Vorbereiten, Wuppen, Machen und Tun verbracht hat, wird einmal in die Halle gebrüllt: „8 Mann, Ausladen, Jetzt!“ und Zack, ist der Hänger leer. Einen Augenblick später ist die Truss zusammengedengelt, Lampen werden gehangen, Kabel gezogen, Bässe gehievt… Fertig. Dann kann man sich ja noch schön den extra für uns hergerichteten Backstagebereich anschauen… und da kommt auch schon der Claas mit einer gemischten Kiste. Gemeinsames Feierabendbier, geteilte Vorfreude ist doppelte Vorfreude… Ihr seid wirklich einmalig, Freienohl, tausend Dank!

Richtig los ging es dann am Samstag. Und was war das für ein Fest! Das allzu pünktliche Eintreffen an der Halle wurde mit dem gratis Genuss diverser „So geil, dass ihr wieder da seid“-Bierchen bestraft, aber pünktlich zu Spielbeginn standen alle bereit und mächtig aufgeheizt auf der Bühne. Eine ab der ersten Minute volle Tanzfläche erinnerte daran, was wir drei Jahre lang so vermisst haben. Massive Überziehung mit minimaler Pausenzeit war die Folge. Und so ging es drei Tage lang. Alles auseinanderzudröseln gelingt hier nicht mehr, als exemplarisch für die Stimmung soll hier nur kurz berichtet werden, dass plötzlich ein vollbesetztes Schlauchboot über das Pubikumsmeer schipperte. Stage-Diving nach Rammsteinart, nun auch im Hochsauerland. Zwischendurch der gewohnte Luxus im Hotel Luckai. Eierbacken? „Ihr wisst ja wo alles ist, Striche macht ihr euch selbst, woll?“ – Ein Traum. Wenn auch am Sonntag unseren Hobby-Eierbäckern vom Chef des Hauses persönlich ihre Grenzen aufgezeigt wurden: Dieser zauberte nachts um Vier eine Spezialität auf den Tisch, die ihresgleichen suchte… wir hätten dich auch so mitgenommen, aber trotzdem besten Dank 🙂

Leicht übernächtigt aber guter Dinge ging es dann Dienstagmorgen zum Abbau. Und wieder wurde es zu einer Beirat-Leistungsschau. Unglaublich, was ihr leistet, Leute. Zu allem Überfluss wurde uns dann noch ein üppiges Mittagessen serviert bevor wir uns per Auto oder Rennrad direkt auf den Weg nach Ennest machten.


Ennest? Na klar, abgebaut heißt aufgebaut. Just-in-time-lean-production nach Bertels-Art. Da wird keine Rücksicht auf Laktat-Beine und Matschhirne genommen. Nach vier Tagen Erholung im Berufsleben folgte dann, was als Hitzeschlacht von Ennest in die Brandstifter-Chronik eingehen wird. Ein Samstagabend ohne jede Pause und mit massiver Überlänge, der den Euphorie-Spiegel flugs wieder auf das Niveau des vorigen Wochenendes katapultierte. Für die verhinderte Dana sprang unsere Luxus-Aushilfe Ivonne König ein und lieferte mächtig ab. Sonntag und Montag verliefen nicht weniger spektakulär, alte wie neue Majestäten konnten von der Bühne aus auf eine partywütige Untertanenschaft blicken, die den Gedanken an Pausen im Keim erstickte. Bis das System völlig überhitzte… aber zum Glück gibt’s ja Funkstrecken für Saiteninstrumente. So konnte mal ein Song in der geöffneten Seitentür performt werden, während hilfsbereite Schützenbrüder gleichzeitig eine Flasche Wasser in den Mund und eine weitere auf den Kopf schütteten. Geht schon wieder 🙂 Vielen Dank für diese spontane Hilfsbereitschaft!

An der Stelle wird der Spendenappell von vor drei Jahren wiederholt… eine Keytar für unser Körnchen muss her. Dann bleibt in den nächsten Jahren nur noch unser Lupex an seine Drums gefesselt, was womöglich zu noch luftigerer Bekleidung als im Bild zu sehen führen wird. Und mit diesen verlockenden Aussichten endet der Nachbericht zu Frennest 22.

Vielen Dank allen, die uns eine so dermaßen geile Zeit beschert haben! Wir kommen wieder!